Theoretisch ist Entrümpeln ganz einfach: Alles, was nicht mehr gebraucht oder geliebt wird, kann weg. Praktisch brauchen wir bei einigen Gegenständen mehrere Anläufe, bis wir uns endlich von ihnen trennen können.
Gegenstände sind tote Dinge, dachte ich immer. Nichts, an dem es sich zu hängen lohnt. Alles ersetzbar. Warum also fällt es mir manchmal so schwer, etwas wegzugeben? Zu einigen Gegenständen habe ich eine seltsame emotionale Beziehung. Ich mag sie, ja, ich liebe sie fast. Oder ich hasse sie. Jetzt, wo ich mir das eingestehen kann, kann ich auch verstehen, warum Entrümpeln so befreiend wirkt.
In jedem Ding, das wir besitzen, steckt ein Stück von uns selbst, ob wir wollen oder nicht.
Da ist zum Beispiel das Paar schwarze Turnschuhe. Ich habe diese Treter viele Jahre sehr gerne getragen. Sie passten zu fast allem und das schönste war, dass sie keine Schnürsenkel hatten. Ich konnte einfach so hineinschlüpfen. Jetzt waren diese Sneakers an den Fersen durchgescheuert, was nicht gerade angenehm ist. Und obwohl ich wusste, dass sie nun endgültig ein Fall für die Mülltonne sind, konnte ich mich lange nicht davon trennen. Immer wieder baumelten sie schon über der Mülltüte, immer wieder habe ich meine Hand in letzter Sekunde zurückgezogen. Vorletzte Woche habe ich einen erneuten Versuch gestartet: Und plötzlich war es ganz einfach. Ich bin froh, dass ich mich endlich dazu überwunden habe, die Schuhe wegzuwerfen. Es sind ja nur tote Gegenstände, das weiß ich jetzt.
Mit dem Thema Minimalismus beschäftige ich mich jetzt schon seit über zwei Jahren. Eigentlich müssten meine Wohnung und mein Leben mittlerweile picobello aussehen. Eigentlich müsste ich mittlerweile nur noch Dinge besitzen, die ich aus tiefstem Herzen liebe und ständig benutze. Eigentlich.
Uneigentlich hat sich hier zwar schon viel verändert, aber ich bin noch lange nicht angekommen. Wo auch immer. Es gibt Menschen, die packt die Entrümpelungs-Wut und innerhalb weniger Tage trennen sie sich von allem Überflüssigen. Bei mir ist Entrümpeln eher ein Prozess. Mal geht es schneller voran, mal langsamer. Mal habe ich keine Lust, irgendetwas wegzugeben, dann sind es wieder mehrere Tüten auf einmal. Mal stört es mich, dass ich noch immer ungenutzte Dinge aufbewahre, dann ist es mir wieder vollkommen egal. Mal bin ich richtig stolz auf den frei gewordenen Platz in meinen Schränken, dann freue ich mich wieder über ein neues oder ein wiederentdecktes T-Shirt. Mal ödet mich das Thema total an, dann bin ich wieder Feuer und Flamme.
Was bedeutet dieser Gegenstand für mich?
Ich glaube mittlerweile, dass das für mich der richtige Weg ist: Mal mehr, mal weniger, aber immer ein bisschen. Manche Gegenstände bedeuten mir nichts, deshalb kann ich mich auch problemlos von ihnen trennen. Bei anderen wiederum dauert es länger, bis ich sie loslassen kann. Interessant wird es, wenn ich mich frage, woran das liegt. Die Sneakers beispielsweise haben mir jahrelang treu gedient. Ich war ihnen dankbar dafür und fand es deshalb nicht OK, sie einfach so in den Müll zu werfen. Bei Kleidung fällt es mir das Entrümpeln besonders schwer, weil jedes Teil einmal Ausdruck meiner Persönlichkeit war. Andere Dinge, besonders Unfertiges, stehen dafür, wer ich gerne gewesen wäre. Indem ich mich entschließe, ein Projekt aufzugeben, anstatt es zu beenden, gestehe ich mir einen Misserfolg ein. Erinnerungsstücke zeigen, was ich erlebt habe und wer ich mal war. Ersatzteile oder „Könnte-ich-noch-gebrauchen„- Teile stehen für meine Sorgen und meine Zukunftsängste.
Sieht man das Entrümpeln als einen Weg, sich selber besser kennen zu lernen, kann man meiner Meinung nach nicht alles auf einmal loswerden. Dann dauert es eben, es ist mühsam und manchmal schmerzhaft. Aber ich finde es ist eine große Chance.
Deshalb: Stress dich nicht beim Entrümpeln. Mach es in deinem eigenen Tempo.
Welche Gegenstände hast du schon mehrfach in die Hand genommen, bevor du dich von ihnen trennen konntest? Woran lag das?
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